Why Zero? Es ist mit bloßem Auge erkennbar: Mit zunehmender Geschwindigkeit und Intensität besetzen und verändern wir die Lebensräume und Habitate, die uns auf unserem Planeten „zur Verfügung“ stehen. Bei dieser Betrachtung sind es nicht nur die Architekturen der Stadt oder Agglomerationen, sondern unsere Gesellschaft an sich, welche auf der Oberfläche unseres Planeten agiert. Landschaft als Raum, aber auch als Idee, so ist aus dieser Perspektive erkennbar, wird in ihrer vielfältigen Handlungsmacht bedrängt, reduziert und oft marginalisiert.
Doch im Augenblick, in dem der moderne Mythos von ungebremstem Wachstum und Erfolg sichtbare Risse zeigt, eröffnen sich andere Blickwinkel auf Landschaft und Umwelt. Auf dem Weg zur ökologischen Gestaltung der Zukunft befinden wir uns in einer Zeit, in der Kontroversen zwischen Gesellschaft und Umwelt sichtbar werden und zur Handlung rufen – ein Erkenntnisweg von „matter of fact to matter of concern“. Aus dem vermeintlichen Hintergrund der Ökologisierung unserer Gesellschaft tritt Landschaft in Folge in ihrer umkämpften umweltlichen Bezüglichkeit hervor. Ein richtungsweisender Moment erfordert unsere besondere Aufmerksamkeit: Zero beschreibt die notwendige Neupositionierung zur Betrachtung des künftigen Handlungsraums von Landschaft – den Moment des Blicks „durch das Auge des (modernen) Hurrikans“.
GAM.07 ortet und erkundet somit einen Nullpunkt der besonderen Art: Bis in die letzten Winkel unseres Planeten sind anthropogene Einwirkungen nachweisbar. Erstmals im Laufe der menschlichen Evolution scheint es möglich davon zu sprechen, dass es keine Natur mehr gibt, wie wir sie bisher gedacht haben – sondern nur noch kontinuierliche Landschaft als „evolutionäres“ Produkt unserer Zivilisation – Zero Landscape.
Damit werden Umwelt und Landschaft kurzum zu Protagonisten erhoben – denn nicht nur die Stadt, die als vorrangiger Lebensraum des 21. Jahrhunderts prognostiziert wird, verändert die Lebensräume und Habitate dieses Planeten. Anzeichen für künftige Handlungsräume der Protagonistin Landschaft zeichnen sich nicht zuletzt ab, indem „die Dimensionen der anstehenden Aufgaben durch die verschiedenen ökologischen Krisen fantastisch vergrößert worden sind“ und sich ein gemeinschaftliches Bewusstsein entwickelt, „was es bedeutet zu handeln“.[1]
So befinden wir uns auf dem Weg zu einem Handlungsraum, in dem der Klimawandel – im Zusammenspiel mit der Bereitstellung von Nahrungsmitteln und Rohstoffen – wie auch der immense Bedarf an erneuerbaren Energien gravierend auf die Gestaltung künftiger Gesellschaften einwirken werden.
Mit der Versammlung und gemeinsamen Behandlung ökologischer, gesellschaftlicher und politischer Ereignisse treten die agencies (Handlungsmächte, Vitalkräfte) von Landschaft, deren Ökologie und Materialität als formende Akteure unserer kulturellen Entwicklung deutlich in Erscheinung.
Landschaft entsteht immer in einem Geflecht von Bezüglichkeiten: Mit einem auf das Spektrum ihrer agency gerichteten Fokus soll das schöpferisch-generative Potenzial von Landschaft als Ort simultaner Praktiken erkundet werden. In der Ordnung von drei Kapiteln bildet sich der transdisziplinäre Charakter dieses Landschaftsdiskurses ab, so dass die folgenden Projekte und Texte ihre Bezüge über die Kategorisierung hinweg knüpfen.
Nach dem postulierten „Ende der Natur“ wird deutlich: Nicht nur der Mensch, auch die Ökologie ist ein „politisches Tier“. So stellt sich die Frage, inwiefern Landschaft, deren Ökologie und Dynamik sowie unser Verständnis des Umgangs mit ihnen, womöglich zu einem integralen Teil unserer gesellschaftlichen Ambitionen und Entscheidungen werden können. In der ersten Gruppierung von GAM.07, Contested Ecologies, stehen deshalb mögliche Praktiken und Varianten von Ökologie auf dem Prüfstand. Dazu stellt sich unter anderem die Frage, inwieweit eine kulturelle Ökologie die Praxis unserer Gesellschaft durchdringen kann oder soll, oder ob die „Ökologisierung“ unserer Gesellschaft doch eher einer rein politisch-technokratischen Ökonomie folgen wird.
Wie sich unsere Auffassung von Landschaft als gesellschaftliches Produkt hin zur Erkenntnis ihrer aktiveren Rolle in Handlungsketten verlagert welche Kultur erzeugen, zeigen die Projekte und Texte in der zweiten Gruppierung Agency and Matter. Landschaft in ihrer Materialität legt als komplementäres und autopoietisches System dabei die diskursive Grundlage für eine Co-Evolution: ein kulturelles Amalgam zwischen Gesellschaft und Ökologie. So legen wir unser Augenmerk auf eine Entwicklung, in der die uns umgebende Landschaft – natürlicher wie anthropogener Prägung – selbst zum generativen Ort, Medium und Diskurs wird und als active agent erkannt werden kann. In der dritten Gruppierung, Uneven Topographies, werden schließlich Verwerfungen politischer, ökologischer, ökonomischer und energetischer Landschaften zur Diskussion gestellt. Gemeinsam ist diesen Projekten und Texten, dass sie allesamt diskursiver Natur und somit als Versuchsanordnung zu verstehen sind. Mit dieser Neu-Positionierung in der Betrachtung von Landschaft verbindet sich schließlich die Hoffnung, zur Erkenntnis der agency of landscape beizutragen und die Entstehung von ökologisch induktivem Denken zu befördern.
[1] Bruno Latour, „Ein vorsichtiger Prometheus“, in: Mark Jongen, Sjoerd van Tuinen, Koenraad Hemelsoet (Hg.), Die Vermessung des Ungeheuren. München 2009, S. 360.