GAM 01

Editorial

Urs Hirschberg

GAM.01 „Tourismus und Landschaft“. „Die Transformation des Raumes, sowohl physisch durch Bauten und Anlagen, als auch ideell, das heißt in seiner gesellschaftlichen Wahrnehmung und Inanspruchnahme, ist das Kernthema, mit dem sich GAM immer wieder auf neue Art und Weise auseinander setzen wird.“ – So steht es im „call for papers“, den wir im Sommer 2003 aussandten, um unser Konzept für unsere neue Publikation bekannt zu machen und um Experten aufzufordern, uns Beiträge zum ersten Heftthema, „Tourismus und Landschaft“, zu schicken.

Das Resultat des Aufrufs liegt hiermit vor: aus über vierzig Einsendungen wurden von unserem Redaktionsbeirat acht Beiträge zur Publikation ausgewählt. Sie spannen einen Bogen von den aktuellen Problemen der Huaorani in den Regenwäldern Südamerikas bis zu den Planungen für Wintersportorte in den französischen Alpen, vom aus Industriebrachen entstehenden Landschaftspark Fürst-Pückler-Land im Osten Deutschlands bis zu den Scheinwelten der Hotelkomplexe in Las Vegas und deren Umgang mit dem öffentlichen Raum. Kultur, Natur, Planung und Technologie sind dabei die speziellen Sichtweisen, mit denen die Beiträge verschiedene Formen des Tourismus im Zusammenhang mit Landschaft untersuchen. Parallel, manchmal auch in Verbindung dazu, stehen die ebenfalls auf unseren Aufruf hin eingereichten Bildbeiträge, welche diese Themen wortlos, aber ebenso beredt aufgreifen. Die Beiträge untermauern eindrücklich, was unser „call for papers“ postulierte: die Relevanz der Architektur als fächerübergreifende Disziplin schlechthin. Diese Relevanz ist nicht selbstverständlich. Sie muss gerade in der gegenwärtigen Situation betont und verteidigt werden – sowohl nach außen, als auch nach innen. Eine Disziplin Architektur, die sich auf das Diskutieren formaler Gestaltungsfragen reduzieren lässt, wird ihre gesellschaftliche Relevanz nicht behaupten können. Um ihre Anliegen durchzusetzen, muss sie ihre Argumente und Ziele öffentlich machen und sich dem stetig wachsenden Konkurrenzkampf um Aufmerksamkeit und Ressourcen aktiv stellen. Als ArchitektInnen sollten wir dabei keineswegs ein Rückzugsgefecht führen und uns im Gegenteil nicht scheuen, auch in neue Bereiche vorzudringen, in denen wir unsere Kompetenzen glaubwürdig einbringen können.

Dies entspricht auch dem Selbstverständnis von GAM: Durch die Öffnung des Heftes für internationale Beiträge und deren möglichst objektive Bewertung durch ein renommiertes Expertengremium soll einerseits ein fachlich bzw. wissenschaftlich fundierter, offener Diskurs entstehen, wie er bei Architekturjournalen noch selten anzutreffen ist. Andererseits soll dieselbe Öffnung auch für die Inhalte gelten. GAM greift Themen auf, die nicht nur die Architektur betreffen. Für die Auswahl der Beiträge ist ein wesentliches Kriterium, dass ihre Sprache und die Art der Argumentation über den Kreis von eingeweihten Experten hinaus für eine an gesellschaftlichen und kulturellen Fragen interessierte Öffentlichkeit verständlich und interessant sind. Der österreichische Staatspreis für Architektur war dem Thema „Tourismus und Freizeit“ gewidmet. Die Laudatio anlässlich der Preisverleihung, die 2003 an der TU Graz stattfand und bei der Zaha Hadids Innsbrucker Bergisel Schanze sowie Wolfgang Pöschl und Dieter Complojs Hotel Anton ausgezeichnet wurden, hielt Bernhard Tschofen. Aus diesem aktuellen Anlass haben wir ihn um einen Essay gebeten, in dem er auch diese Preisverleihung reflektiert. Alle anderen Beiträge wurden aufgrund einer kritischen Beurteilung durch unseren Redaktionsbeirat ausgewählt. Die fotografischen Arbeiten von Margherita Spiluttini, Bas Princen, Jordi Bernadó, Walter Niedermayr und Ragnar Knittel, sowie die Architekturprojekte von Dominique Perrault und Odile Decq, hat die Redaktion ausgesucht. Zur Redaktion gehören Roger Riewe, Professor für Architekturtechnologie, Initiator des Projektes GAM; Günter Koberg, Öffentlichkeitsbeauftragter der Architekturfakultät, Koordinator der Redaktionsarbeit; Jörn Köppler, Assistent am Institut für Architekturtheorie und Baukunst, zuständig für die Faculty News sowie Urs Hirschberg, Professor für Architektur und Medien, Dekan der Fakultät für Architektur.

An dieser Stelle wollen wir als Redaktion auch unseren Dank aussprechen. Er geht zuallererst an die Autorinnen und Autoren, die sich mit ihren Beiträgen auf unseren „call for papers“ hin für diese Nummer beworben haben. Wir waren sehr beeindruckt von der Menge und der hohen Qualität der Einsendungen. Es hat uns bei vielen Beiträgen Leid getan, dass wir nur eine beschränkte Seitenzahl zur Verfügung haben und sie deswegen nicht berücksichtigen konnten. Dank gilt aber vor allem auch unserem Redaktionsbeirat. Friedrich Achleitner, Michelle Addington, George Baird, Shigeru Ban, Aaron Betsky, Pierre Alain Croset, Eduard Führ, Andrej Hrausky, Ernst Hubeli, Adolf Krischanitz, Bart Lootsma, Josep Lluis Mateo, Farshid Moussavi, Didier Rebois, Arno Ritter, Gerhard Schmitt, Georg Schöllhammer und Kai Vöckler haben durch ihre Bereitschaft, GAM zu unterstützen, durch ihre wertvollen Hinweise zur Konzeption und durch ihre Beurteilung der eingesandten Beiträge immens zum Gelingen beigetragen. Dank geht schließlich auch an die vielen KollegInnen und StudentInnen an der Architekturfakultät der TU Graz: für ihre Beiträge und für das Vertrauen, welches sie der Redaktion durch ihre Unterstützung erwiesen haben.

GAM versteht sich als Plattform für den internationalen Diskurs. Dabei ist GAM, das Graz Architektur Magazin, aber auch ganz klar verortet: es ist eine Grazer Publikation, herausgegeben von der Architekturfakultät der hiesigen Technischen Universität. Das Prinzip des „glocal“, des Zusammengehens des Globalen mit dem Lokalen, ist charakteristisch für GAM, wie vielleicht überhaupt für die Architektur. Es steckt darin das Bekenntnis zum Konkreten, aufgrund örtlicher und zeitlicher Begebenheiten entwickelten, das den ganzen Reichtum der Disziplin Architektur ausmacht und ohne den der ebenso notwendige internationale Austausch und Diskurs unmöglich und sinnlos wäre. Neben der thematischen Ausrichtung auf Tourismus und Landschaft im „internationalen“ Hauptteil, bietet GAM einen Einblick in die lokale Grazer Szene innerhalb und außerhalb der Architekturfakultät. Weder die Leistungsschau, noch das enzyklopädische Aufzählen aller Aktivitäten war dabei das Ziel. Stattdessen werden punktuelle Einblicke geboten in Projekte und Gegebenheiten, die aus unserer Sicht auch über die Grazer Situation hinaus von Interesse sind und aus denen eine Art Kaleidoskop entsteht.

GAM ist mit einem hohen Anspruch angetreten, in gewisser Weise mit dem naiven Anspruch des Kindes, das alles zugleich will: Ein Magazin und doch auch ein Buch, eine internationale Publikation und doch auch eine aus Graz, ein präzises Thema und doch auch Offenheit für Beiträge jeder Provenienz, den aktuellen Architekturdiskurs und doch auch Beiträge, die über die Grenzen der Disziplin hinaus verständlich und interessant sind. „Damit das Mögliche passiert, muss immer wieder das Unmögliche versucht werden“, heißt es bei Hermann Hesse einmal. Diese erste Nummer von GAM, die Sie, liebe Leserin, lieber Leser, nun vor sich haben, ist die mögliche Nummer, die wir beim Versuch, unsere hohen, ja vielleicht unmöglichen Ansprüche zu erreichen, fertiggebracht haben. Wir meinen, sie ist nicht schlecht gelungen. Die nächste Ausgabe, zum Thema „Design Science in Architecture“ (siehe „call for papers“ auf Seite 222) ist schon geplant. Insofern ist mit GAM.01 in Bezug auf unsere hoch gesteckten Ziele bestenfalls ein Anfang gemacht. Andererseits, um bei Hesse zu bleiben: „Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne!“ Wir würden uns freuen, wenn Sie sich von unserem Erstling über Tourismus und Landschaft und seiner durchaus optimistisch zu verstehenden Botschaft, dass Architektur überall ist: in den Alpen und im Regenwald, ja sogar in der Wüste Nevadas und in Graz, wenn sie sich davon ein wenig bezaubern lassen. Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre.